Seit 20 Jahren bereichert Friedl Preisl mit dem Akkordeonfestival die heimische Festival- und Musiklandschaft. Internationale Spitzenstars wie Richard Galliano treffen auf heimische Größen wie Otto Lechner und junge Newcomer wie „Three for Silver“ oder Zoë. Jazz trifft auf Wiener Lied, Klassik auf Rock und Pop, traditionelle Volksmusik präsentiert sich im neuen Gewande. Eine Offenheit der Musikströmungen, die bewusst gewählt ist, spiegelt sie sich doch in der enormen Einsatz-Bandbreite des Instruments wider.

Die Kulturfüchsin traf den umtriebigen Festivalveranstalter zum Interview. Ein Gespräch über die Anfänge, ausgebliebenen Jubiläumsstress und ein musikalischer Trip ins Weltall.

20 Jahre Akkordeonfestival – könntest du etwas von den Anfängen erzählen? Wie war der Weg vom kleinen Nischenfestival zum Festival mit internationaler Strahlkraft?

Angefangen hat alles im 9. Bezirk. Ich habe in einem alten Fuhrwerksgasthaus im Lichtental immer montags in einem kleinen Extraraum Kulturveranstaltungen organisiert. Das Konzept war, dass ich jeden Monat drei unbekannte und einen bekannten Künstler eingeladen habe. Irgendwann hatte ich drei Akkordeonspieler zu Gast, die alle eine sehr unterschiedliche Art von Musik gemacht haben. Damals erst habe ich realisiert wie vielschichtig das Akkordeon ist. Zudem hatte ich das Glück, dass ich immer wieder Konzerte von Otto Lechner im kleinen Rahmen besuchen durfte. Ich fand damals schon: Otto Lechner ist ein Weltstar – nur keiner wusste es. Irgendwann habe ich ihm die Frage gestellt, was er davon hält, wenn ich ein Festival organisiere. Seine Antwort war, „bist du deppert, der Zug ist abgefahren“ (lacht). Im Jahr 2000 haben wir trotzdem das erste Festival realisiert. Dadurch, dass Otto Lechner zwei Freunde von ihm aus der Schweiz und aus Slowenien zum Festival vermittelt hat, hatten wir gleich von der ersten Ausgabe an einen internationalen Charakter. Wir haben damals zwölf Konzerte an unterschiedlichen Spielstätten organisiert. Das Festival konnte sich sehr schnell einen Platz in der Wiener Festivallandschaft erobern. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir das erste Musikfestival im Jahr sind. Das Akkordeonfestival vertreibt sozusagen die Winterdepression.

Als du begonnen hast, hatte das Akkordeon keinen guten Ruf. Würdest du sagen, dass du mit dem Festival mitgeholfen hast, das Akkordeon zu pushen?

Ich würde eher sagen, ich war beim Aufschwung dabei. Es stimmt, als ich angefangen habe, war das Akkordeon als „volksdümmliches“ Instrument mit „d“ verschrien. In Wien galt es ausschließlich als Heurigen-Instrument. Dass das Akkordeon sich heute seinen fixen Platz in der internationalen Musiklandschaft erobert hat, liegt aber an einer Reihe von Faktoren. Damals ist die Musik freier, grenzüberschreitender geworden. Dadurch hat auch das Akkordeon einen enormen Aufschwung erfahren. Ich würde aber auf keinem Fall von einem Hype sprechen – ein Hype geht schnell wieder vorüber, das Akkordeon ist immer noch da.

Wie wird das Akkordeonfestival international wahrgenommen?

Was ich sagen kann, ist, dass ich bei meinen Anfragen keine Absagen mehr erhalte. Wir haben beim Festival ein Top Niveau. Es ist mir wichtig dieses Niveau zu halten ohne dabei zu mainstreamartig zu werden. Eine Besonderheit des Akkordeonfestivals ist, dass ich nicht spezifisch bin. Ich lasse jedem Musikstil seinen Platz. Eine Vielfalt der unterschiedlichen Musikrichtungen in dieser Qualität, da ist das Wiener Festival weltweit sicherlich einzigartig.

Inwieweit treffen beim Festival historische Klänge auf neue Kompositionen? Gibt es bekannte Wiener Komponisten, die für das Akkordeon Stücke geschrieben haben? Sind diese historischen Einflüsse heute noch spürbar? Immerhin hat ein Wiener Instrumentenbauer ein Patent auf das von ihm und seinen Söhnen entwickelte „Accordion“ – das erste Mal, dass der Name Akkordeon auftaucht – angemeldet.

Die meisten Künstlerinnen und Künstler, die bei uns auftreten komponieren ihre Stücke selbst. Aber natürlich schwingt vieles aus dem kulturellen Background aus dem Land aus dem sie kommen mit. Indem sie die unterschiedlichen volksmusikalischen Einflüsse ihrer Region mitnehmen und in das Heute hineintragen. Es gibt auch bestimmte Musikformen wie den Tango, die feste Strukturen haben, wo aber jeder Künstler seine kreativen Einflüsse, Farbkleckse, wenn man so will, in die Musik mit hinein bringt. Diese Mischung, das macht die Spannung aus.
Klassisches hört man bei uns aber eher weniger. Walther Soyka, der regelmäßig bei uns auftritt, spielt zum Beispiel die Tänze von damals, aus der Zeit als die Schrammeln gelebt haben. Wobei man das nicht falsch verstehen darf. Das sind keine Tänze im heutigen Sinn. Dazu kann heute keiner mehr tanzen. Bei den Schrammeln gab es immer eine fixe Besetzung. Zwei Geigen, eine Kontragitarre (das heißt die Gitarre übernahm auch die Form des Basses, Anm. d. Red.) und oft auch ein Akkordeon. Allerdings war es damals üblich nur auf einer Seite zu spielen.

Inwieweit ist es dir wichtig auf neue Gesichter und damit auch Klänge zu setzten oder will das Publikum die, die eh immer spielen? Wie gehst du bei der Programmierung vor?

Wer bei mir jedes Jahr spielt, das ist die österreichische Akkordeonelite. Dobrek Bistro, Walther Soyka, Otto Lechner. Wenn man so will, baue ich um sie herum das Festival auf. Dabei nehme ich mir durchaus die Macht als Programmgestalter und wähle das aus, was mir gefällt. Ich möchte mich ja nicht selbst quälen, indem ich Leute einlade, deren Musik ich nicht hören will. Ich habe jährlich so an die 100 Anmeldungen, 50 kommen ins Programm. Den Rest wische ich einfach vom Tisch und im Jahr darauf starte ich wieder neu. Das ist anders als bei so einem Stapel, wie ihn Beamte haben, wo man die Einreichungen langsam abarbeitet.

Gibt es zum diesjährigen Jubiläum einen Schwerpunkt?

Wir haben keinen Schwerpunkt gesetzt. Was ich auch auf keinen Fall machen wollte, war ein Best-off. Das erzeugt zu viel Stress und ist außerdem immer ungerecht.
Was wir haben ist eine Plakatausstellung im Aktionsradius Wien mit den Festivalplakaten der letzten 20 Jahre.

Mit dem Konzert der Wiener Tschuschenkapelle gibt es dieses Jahr ein weiteres Jubiläum innerhalb des Programms….

Es gibt sogar drei Jubiläen. Die Wiener Tafel, die beim Konzert für Essen sorgt, wird heuer 20 Jahre. Das wird ein großes Fest im Wiener Schutzhaus mit Überraschungsgästen.

Könntest du trotzdem einige Highlights nennen? Warum fiel die Wahl bei der Eröffnung zum Beispiel heuer auf „Alma“?

Bei so etwas tue ich mir immer extrem schwer. Ich sehe alle als meine Kinder an. Eines davon bevorzugt zu behandeln, das geht nicht. Natürlich muss man sagen, hätte ich Otto Lechner damals nicht kennengelernt, gäbe es das Festival in dieser Form nicht. Lechner ist ein internationaler Star aus Österreich. Die Gruppe Alma schätze ich sehr. Das ist eine würdige Eröffnung, die im Übrigen fast schon ausverkauft ist. Ebenso Richard Galliano im Stadtsaal.

Eine besondere Schiene sind die so genannten Stummfilm Matineen immer sonntags zu Mittag. Was gibt es dieses Jahr zu sehen? Wie kam und kommt die Auswahl zustande?

Entstanden ist die Filmschiene dadurch, dass ich sehr gerne ins Filmcasino gehe, das meiner Meinung nach schönste Programmkino Wiens. Daraus hat sich eine Zusammenarbeit ergeben. Zu Beginn hatte ich immer einen Solisten besetzt, der den Film begleitet. Da es aber für eine Person am Akkordeon sehr schwer ist einen ganzen Film hindurch die Spannung zu halten, sind wir mittlerweile dazu übergegangen Pärchen zu besetzen. Eines der Instrumente ist ein Akkordeon und das andere variiert. Da haben wir heuer mit Walther Soyka am Akkordeon und Karl Stirner, der die Zither spielt, eine spannende Kombination. Die beiden werden den Film „Aelita“, ein russischer Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1921, begleiten. Starten werden wir heuer mit „Three Must-Get-Theres“ von Max Linder – eine Komödie. Von den fünf Filmen im Programm ist der erste immer eine Komödie, dann kommt ein Abenteuerfilm, dann ein freies Thema, und zum Abschluss wieder eine Komödie. Ich mag den Gedanken, das Festival fröhlich zu beenden und im nächsten Jahr startet man wieder mit einer Komödie.

Interessant sind auch die Orte, an denen das Festival über die Bühne geht. War das von Anfang an ein Konzept? Suchst du spezielle Locations oder ergeben sich diese von selbst?

Wir hatten schon im ersten Jahr bei unseren zwölf Konzerten verschiedene Spielstätten. Im Laufe der Zeit sind neue hinzugekommen, andere wie das Jugendstiltheater oder Planet Music sind leider weggefallen. Natürlich achtet man bei der Programmierung auch darauf, wo die Musik hinpasst. Es gibt Räume wie den Ehrbar Saal, da funktionieren eher die leiseren Sachen sehr gut, da haben wir in der Vergangenheit zum Beispiel Brahms gespielt. Heuer gibt es unter anderem ein Solo-Konzert des russischen jungen Ausnahme-Akkordeonisten Sergey Osokin. Neu ist dieses Jahr das Studio 3 im Radiokulturhaus. Seit einigen Jahren spielen wir immer samstags in der Café Mokka Lounge bei freiem Eintritt. Menschen, die wenig Geld haben können dort heimischen Größen lauschen.

Wer sind eure Gäste? Hat sich das Publikum in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Wir machen Programm für Leute von acht bis 80. Ich versuche eine breite Schicht anzusprechen. In den letzten Jahren sind allerdings mehr junge Leute hinzugekommen, dadurch, dass das Akkordeon so einen Aufschwung erfahren hat. Das Festival trägt aber sicher kein Altersmascherl.

Zur Person
Friedl Preisl wurde 1948 in Wien geboren. Als Besucher diverser Kleinbühnen,
Kellertheater, Konzerte, und nach jahrzehntelanger Tätigkeit in einer Bank
bereichert er seit dem Jahr 2000 die österreichische Hauptstadt mit
einer Vielzahl von Festivals. Neben dem Akkordeonfestival zeichnet er
heute unter anderem als Veranstalter für das „KlezMORE Festival Vienna“,
den „Musikalischen Adventkalender“, der „Mund.Art.Wien“ oder dem
„Vorstadt Kino Währing“ (Koproduktion mit A. Kous & G. Weber/2016 -)
verantwortlich. Wiens ehemaliger Kulturstadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny
überreichte ihm am 25. Juni 2010 das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien.

20. Internationales Akkordeon Festival Wien 2019
23. Februar bis 24. März 2019
an diversen Locations der Stadt
Info und Karten unter www.akkordeonfestival.at

Titelbild: Duo Montanaro Cavez © Harold Noben

Geschrieben von Sandra Schäfer